Chaussee-Bote
bestellen:
|
Stephans Praktikumstagebuch
Stephans Tour-de-France-Kolumne
2004
Stephans Erasmus-Tagebuch
Stephans taz-Kolumnen
|
|
|
Zur Person: Stephan Zeisig, geb. 1978, Intimkenner der internationalen Radsportszene und ausgewiesener Jan-Ullrich-Experte, schreibt
während der Tour de France für ENTHUSIASTEN ONLINE seine Kolumne: "Ami Go
Home". In seiner aktiven Zeit fuhr er für das Team Calippo Kirsche zahlreiche
zweite Plätze beim Radsportklassiker S-Bahnhof Babelsberg - Uni Potsdam heraus.
Seit seinem Rücktritt ist der "Venga-Venga-Mann" Autor Aufsehen erregender
Radsportkolumnen. |
|
|
1.Etappe
|
Fromentine – Noirmoutier (19 km Einzelzeitfahren)
Der Ausgang der heutigen Etappe dürfte nur äußerst
naiv-einfältige Geister und Amerikaner noch im Glauben wiegen, der gestrige
Sturz von Jan Ullrich sei ein Unfall gewesen. Normalen Menschen, die eins und
eins zusammenzählen können, bleibt nur eine Schlussfolgerung: es handelte sich
um ein perfides Attentat. Und wer ist der Hauptprofiteur von der enttäuschenden
Vorstellung unseres Jans? Die Frage bedarf eigentlich keiner Beantwortung. Zu
offensichtlich liegt der Täter auf der Hand. Ich möchte ihn trotzdem nennen. Es
ist Lance Armstrong. Ich habe mich mit mehreren Franzosen unterhalten, die den
Crash vom Straßenrand aus beobachteten. Alle haben mir bezeugt, dass das
Fahrzeug von T-Mobile, hinter dem Jan fuhr, nicht wegen eines vorausfahrenden
Wagens bremsen musste, sondern wegen eines Fußgängers, der die Straße plötzlich
trotz roter Ampel überquerte und der eine mehr als verblüffende Ähnlichkeit mit
Armstrongs Teamkollegen Viatcheslav Ekimov aufwies. Für eine Teilnahme des
Russen hat es zwar diesmal wegen dessen Verletzung nicht gereicht, aber von
seiner Nützlichkeit fürs Team hat Ekimov dennoch nichts eingebüßt. Wenn es sein
muss, opfert er sogar sein Leben, nur damit Ullrich rechtzeitig durch eine
Heckscheibe fliegt und so gehandicapt in die Tour geht. Leider wird über diesen
Vorfall in Frankreich der Mantel des Schweigens gelegt, da Chirac nach dem
Irakkrieg keine weitere Konfrontation mit dem Bush-Amerika wagt. Doch ich werde
meine Feder nicht eher aus der Hand legen, bevor Armstrong nicht hinter Schloss
und Riegel ist. Außerdem gibt es hier bei mir in den kommenden drei Wochen
neben der offiziellen auch die tatsächliche, also die um den Sturz von Jan
bereinigte Gesamtwertung.
Offizielle Gesamwertung
|
|
1. David Zabriskie (USA/CSC) |
20:51
|
2. Lance Armstrong (USA/DC) |
+0:02
|
3. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB) |
+0:53
|
12. Jan Ullrich (ALL/MOB) |
+1:08
|
|
|
Bereinigte Gesamtwertung |
|
1. Jan Ullrich (ALL/MOB)
|
19:51
|
2. David Zabriskie (USA/CSC)
|
+1:00
|
3. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB)
|
+1:53
|
4. Lance Armstrong (USA/DC)
|
+1:55 |
|
2. Etappe
|
Challans – Les Essarts (181,5 km )
Der Etappensieg von Tom Boonen wird leider von
einem himmelschreienden Skandal überschattet, dem Umstand, dass Jan Ullrich
Armstrong auf nur tausend Metern sieben Sekunden abgenommen hat, diese aber
wegen einer wettbewerbsverzerrenden Pro-Armstrong-Klausel nicht gewertet
wurden. Diese besagt, dass Abstände zwischen den Fahrern nicht zählen, sofern
sie durch einen Sturz im Feld auf den letzten 3 Kilometern herrühren.
Tatsächlich soll damit einfach nur verhindert werden, dass Armstrong, auf dem
letzten Kilometer Jan Ullrich erfahrungsgemäß immer unterlegen, gegenüber
diesem an Boden verliert. Man muss sich das nur mal vor Augen halten: auf einen
Kilometer war Jan Ullrich heute sieben Sekunden schneller. Auf 19 Kilometer
hochgerechnet macht dies 2 min 13 Sekunden. Bei einer 19 km längeren Etappe
hätte Ullrich den Rückstand von gestern also mehr als wettgemacht.
Offizielle Gesamwertung |
|
1. David Zabriskie (USA/CSC) |
4h12:22
|
2. Lance Armstrong (USA/DC) |
+0:02
|
3. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB) |
+0:53
|
12. Jan Ullrich (ALL/MOB) |
+1:08
|
|
|
Bereinigte Gesamtwertung |
|
1. Jan Ullrich (ALL/MOB) |
4h11:22
|
2. David Zabriskie (USA/CSC) |
+1:07
|
3. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB) |
+2:00
|
4. Lance Armstrong (USA/DC) |
+2:02
|
|
3. Etappe
|
La Châtaigneraie – Tours (212,5 km)
Heute ist ja the fourth of july und ich bin ziemlich
enttäuscht von Armstrong, dass er an diesem Tag nicht gefeiert, sondern
gearbeitet hat. Ich bin kein Nationalist, aber über ein gesundes Maß Patriotismus
sollte jeder verfügen. Von Jan Ullrich würde ich am dritten Oktober auch
erwarten, dass er nicht aufs Rad steigt, sondern über Deutschland nachdenkt und
darüber, wie man dieses Land nach vorne bringen kann. Und er würde das
vermutlich auch tun, wenn die Tour im Herbst wäre. Für dieses unpatriotische
Verhalten drücke ich Lance Armstrong zwei weitere Sekunden auf. Außerdem werde
ich der Militärjunta in Washington mal einen kleinen Tipp geben, dass es beim
Texaner mit der Zuverlässigkeit im Kampf gegen den Terror doch nicht so weit
her ist, wie Bush glauben mag.
Offizielle Gesamwertung |
|
1. David Zabriskie (USA/CSC) |
8h48:31
|
2. Lance Armstrong (USA/DC) |
+0:02
|
3. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB) |
+0:53
|
12. Jan Ullrich (ALL/MOB) |
+1:08
|
|
|
Bereinigte Gesamtwertung |
|
1. Jan Ullrich (ALL/MOB) |
8h47:24
|
2. David Zabriskie (USA/CSC) |
+1:07
|
3. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB) |
+2:00
|
4. Lance Armstrong (USA/DC) |
+2:04
|
|
4. Etappe
|
La Châtaigneraie – Blois (67,5 km Mannschaftszeitfahren)
Der heutige Sieg vom Team Discovery Channel hat
einen sehr bitteren und noch Jahre andauernden Nachgeschmack. Er wurde errungen
auf dem Rücken des gestürzten CSC-Fahrers David Zabriskie. An Lances Stelle
würde ich das gelbe Trikot nicht annehmen und stattdessen mein Rad an den Nagel
hängen. Aber gut, hätte Armstrong jemals einen Sinn für Tugenden gehabt, er
hätte schon nach dem ersten Tour-Sieg eingestanden, mit welch schmutzigen
Substanzen dieser errungen wurde. T-Mobile hat sich heute ausgesprochen clever
verhalten, indem man auf einem unscheinbaren dritten Platz einlief und so die
unangenehme Favoritenbürde an die amerikanische Mannschaft weiterreichte. Sie wird gewiss noch vor den Bergetappen daran
zerbrechen. Jan Ullrich muss man aber ohnehin die Zeit von CSC anrechnen, da
Bjarne Riis bekanntlich mehrmals lang um Jan geworben hat und dieser
schließlich nur wieder zurück zu T-Mobile gegangen ist, weil er diesen Underdog
im Radsport-Business nicht hängen lassen wollte. Ein äußerst sympathischer
Charakterzug. Im bereinigten Klassement werden ihm darum von der offiziellen
Zeit Jans noch mal 33 Sekunden abgezogen und weitere 20 Sekunden, da CSC mit
Jan mindestens 20 Sekunden schneller gewesen wäre. Dann wäre CSC mit Jan nicht
das Malheur eines Zabriski passiert. Also weitere 5 Sekunden schneller. Somit hätte
Jan gegenüber Armstrong 23 gut gemacht. DC bekäme aber wegen der komplizierten
Regel nur 20 Sekunden aufgebrummt, ein weiterer Beleg für das pro-Armstrong
Reglement, das in meiner bereinigten Gesamtwertung aber nicht angewendet wird,
da ich diese Mannschaftszeitfahrenbestimmung ablehne.
Offizielle Gesamwertung |
|
1. Lance Armstrong (USA/DC) |
9h59:12
|
4. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB) |
+1:21
|
10. Ivan Basso (ITA/CSC)
|
+1:26
|
12. Jan Ullrich (ALL/MOB) |
+1:36
|
|
|
Bereinigte Gesamtwertung |
|
1. Jan Ullrich (ALL/MOB) |
9h56:49
|
2. Lance Armstrong (USA/DC) |
+2:27
|
7. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB) |
+2:57
|
9. Ivan Basso (ITA/CSC)
|
+2:59
|
|
5. Etappe
|
Chambord - Montargis (183 km)
Die Aktion von Lance Armstrong, das Tragen des gelben
Trikot aus Respekt vor dem Sturz von Zabriskie nicht zu tragen, ist in seiner
Berechenbarkeit so durchschaubar wie alles, was vom Amerikaner in den letzten
sechs Jahren kam. Diese Geste entspringt dem verzweifelten Versuch, im Rahmen
einer Charmeoffensive des Texaners, zum Abschluss seiner mittelmäßigen Karriere
noch mal ein paar Sympathiepunkte zu sammeln, die er sich von Beginn seiner
Profikarriere an durch sein arrogantes und herrisches Auftreten absichtlich
verspielt hat. Im Gegensatz zu Jan Ullrich, der, das sei hier noch mal erwähnt,
im Peloton ausgesprochen beliebt ist, weil er die Größe hat, Rekonvaleszenzen
die Rückkehr in den Beruf zu erleichtern, indem er ihnen hin und wieder beim
Sieg den Vortritt lässt. Hätte es Armstrong wirklich ernst gemeint, dann hätte
er das gelbe Trikot auch trotz der Drohung des Tourdirektor, ihn zu
disqualifizieren, nicht übergestreift. Besser noch, er wäre aus Solidarität
absichtlich gestürzt und hätte Zabriskie die Zeit herausfahren lassen, die
dieser durch seinen Sturz am Tag zuvor verloren hätte.
Offizielle Gesamwertung |
|
1. Lance Armstrong (USA/DC) |
13h45:12
|
4. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB) |
+1:21
|
10. Ivan Basso (ITA/CSC)
|
+1:26
|
12. Jan Ullrich (ALL/MOB) |
+1:36
|
|
|
Bereinigte Gesamtwertung |
|
1. Jan Ullrich (ALL/MOB) |
13h42:49
|
2. Lance Armstrong (USA/DC) |
+2:27
|
7. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB) |
+2:57
|
9. Ivan Basso (ITA/CSC)
|
+2:59
|
|
6. Etappe
|
Troyes - Nancy (199 km)
Heute hat Jan
Ullrich mal wieder unter Beweis, was für ein sicherer Radfahrer er ist, indem
er dem Massensturz kurz vor dem Ziel gekonnt auswich. Schon alleine dafür hätte
er den Toursieg verdient gehabt. Erfahrungsgemäß kommt er an Stürzen im Feld
durchweg besser vorbei, als sein von Komplexen getriebener Gegner. Den muss ja
regelmäßig die gesamte eigene Mannschaft einkreisen, damit ihm nichts zustößt.
Jan hätte schon viele Stürze zu einer erfolgreichen Attacke nutzen können, um
ihm Zeit abzuknüpfen, hat er aber noch nie. Außerdem passieren die Stürze auch
immer viel zu spät, in den letzten drei Kilometern vorm Ziel, weshalb ein
Vorsprung gar nichts nützen würde. Auch heute muss darum wieder die bereinigte Gesamtwertung
aktualisiert werden, da Ullrich eigentlich zwölf Sekunden auf seinen fiesen
Rivalen gewonnen hat. In der liegen übrigens jetzt zwei T-Mobile-Fahrer auf den
ersten beiden Plätzen.
Offizielle Gesamwertung |
|
1. Lance Armstrong (USA/DC) |
17h58:11
|
3. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB) |
+0:55
|
9. Ivan Basso (ITA/CSC)
|
+1:26
|
14. Jan Ullrich (ALL/MOB) |
+1:36
|
|
|
Bereinigte Gesamtwertung |
|
1. Jan Ullrich (ALL/MOB) |
17h53:48
|
2. Alexandre Vinokourov (KZK/MOB) |
+2:38
|
3. Lance Armstrong (USA/DC) |
+2:39
|
10. Ivan Basso (ITA/CSC)
|
+3:11
|
|
7.-13.Etappe
|
|
|