Knecht Ruprecht
An einem kalten Wintertage
Saßen grübelnd die zwei Alten
Über diese eine Frage
Am Kamin mit Sorgenfalten.
Warum ist das Leben
Auf der Welt so ungerecht?
Warum wird's dem ein' gegeben,
Sei er noch so bös' und schlecht,
Und ein anderer muss leiden,
Sei er edel, hilfsbereit?
Weshalb lässt sich nicht vermeiden
Solche Ungerechtigkeit?
So schworen sie in jener Kammer:
"Schluss damit! Man muss was tun,
Bei dem ganzen Weltenjammer
Können wir nicht länger ruhn."
Also hob feierlich die Pulle
Ruprecht, dem Niklaus zugewandt:
"Klaus, sei du der gute Bulle
Mit Geschenken in der Hand.
Geben sollst du nur den guten,
Während ich als böser Cop
Den schlechten Kinder mit der Ruten
Ordentlich den Arsch verklopp."
Jedes Jahr zur selben Zeit
Streicht nun Knecht Ruprecht durch die Gassen,
Ob es regnet oder schneit
Die Bösen kriegt er all zu fassen.
"Klopf, Klopf, Klopf und aufgemacht!
Es ist der Ruprecht mit der Keule.
Kleiner Peter aufgewacht,
Ich verpass dir eine Beule.
Hast du nicht im letzten Jahr
Frech dem Vater widersprochen
Und dem Hund von Cordula
Fiese in den Arsch gestochen?
Böser Bube, böser Bube!
Hose runter, in die Stube!
Mit der Rute geb ich's dir
Links und rechts, das glaube mir,
Auf den Hintern, auf den Wanst,
Dass du nicht mehr sitzen kannst.
Hör schon auf mit dem Geheule,
Gleich bekommst du's mit der Keule."
Und schon ist der Peter still.
Der macht nicht mehr, was er will.
Knecht Ruprecht hat sein Werk vollbracht,
Auf geht es zur kleinen Liese.
Ein zarter Wind durchweht die Nacht,
Keine ist so still wie diese.
Durch das off'ne Fenster steigt
Knecht Ruprecht, vorsichtig auf leisen Socken
Er sich über Liese neigt.
Hoppla, hat sie sich erschrocken!
"Schönes Kind, erinn're dich
An das Versprechen, du gegeben
Dem Nikolaus so feierlich.
Vor einem Jahr war's eben.
Niklaus gab den Hamster dir,
Du versprachst ihm gute Pflege,
Füttern wolltest du das Tier,
Säubern täglich das Gehege."
Auf einmal wird das Kinde blass.
Zitternd liegt es auf dem Bette
Und macht vor Angst das Laken nass,
als ob das was geholfen hätte.
Sie schüttelt weinend mit dem Kopfe,
Des Kindes Schreie werden greller,
Da packt Knecht Ruprecht sie am Schopfe
Und schleift sie runter in den Keller.
"Böses Göre, böse Göre!
Versprochen ist versprochen, höre!
Weil du nicht hieltest, was geschworen,
Wird dir jetzt der Kopf geschoren."
Und auf die Stirne ritzt der Knecht:
Ich war zu meinem Hamster schlecht.
Zufrieden trottet Ruprecht weiter.
Die Sterne leuchten friedvoll nieder.
Nie ist eine Nacht so heiter
Wie diese, alle Jahre wieder.
Vor der Tür von Hänschen stutzt
Knecht Ruprecht, denn man glaubt es nicht:
Heut hat sich Hans die Schuh geputzt!
Was denkt sich dieser Bösewicht?
Dass er in dieser heilgen Nacht
Belohnt wird für die Missetaten,
Die er das Jahr über vollbracht?
Oh Hans, wie bist du nur missraten!
Knecht Ruprecht schreitet zornesrot
Ins Zimmer, wo im tiefen Schlafe
Der Hans nichts ahnt von seiner Not.
Gleich kriegt er die gerechte Strafe.
Als Hans von Ruprecht aufgeweckt,
Reibt er sich ungläubig die Augen:
"Oh Niklaus, hast du mich erschreckt!
Ich kann es immer noch nicht glauben.
Gebetet hab ich jeden Tag,
Dass ich einmal dein Antlitz seh,
Weil ich dich doch so gerne mag.
Mir tut vor Freud das Herzlein weh."
"Nicht Niklaus ist's, der vor dir steht.
Ich bin der Ruprecht, Klausens Knecht,
Der nur zu bösen Kindern geht.
Und gleich, mein Kind, ergeht's dir schlecht.
Denn, kleiner Hans, du weißt es doch,
Wie einst die Schwester war beim Bade,
Da schautest du durch's Schlüsselloch.
Das war ein schlimmer Fehler, schade.
Böser wicht, böser wicht!
Sowas tut ein Junge nicht.
Dein Spannen ist mir schlimmes Graus,
Ich stech dir jetzt die Augen aus."
Und schon zückt der Knecht den Dolch,
Wirft sich auf den kleinen Strolch,
Sticht erst links, dann rechts behende,
Blut spritzt aufs Bett und auf die Wände,
Das Hänschen hört nicht auf zu schrein.
Das soll ihm eine Lehre sein.
Knecht Ruprecht geht hinaus zur Tür.
Sein gewand ist rot vom Blut.
Er ist verantwortlich dafür,
Dass niemand mehr was Böses tut.
An einem Tag im Jahr,
Da ist die Welt gerecht.
Ein tapfrer Mann ist er, fürwahr,
Der Ruprecht, unser lieber Knecht.
© Bohni
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