Chaussee-Bote
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Stephans Tour-de-France-Kolumne
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Stephans taz-Kolumnen
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Kap der Angst
(Aufzeichnungen des Lehrer-Praktikanten Stephan Z.)
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Ach, was muß man oft von bösen
Buben hören oder lesen
...
Also lautet ein Beschluß,
Daß der Mensch was lernen muß.
Nicht allein das Abc
Bringt den Menschen in die Höh';
Nicht allein in Schreiben, Lesen
Übt sich ein vernünftig Wesen;
Nicht allein in Rechnungssachen
Soll der Mensch sich Mühe machen,
Sondern auch der Weisheit Lehren
Muß man mit Vergnügen hören.
Daß dies mit Verstand geschah,
War Herr Lehrer Zeisig da.
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Lehrer Zeisig
(in 30 Jahren)
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Freitag, 6. August 04:
Heute bin ich zur ersten Vorbesprechung mit meinem Tutor, Herrn Kracht, Lehrer
für Französisch und Geschichte, in die Schule geladen. Da letzter Ferientag
und somit noch nicht mit Schülern zu rechnen ist, kann ich auf meine besonderen
Personenschutzmaßnahmen verzichten. Meine kugelsichere Weste lassen ich noch
einmal im Schrank. Herr Kracht hat keine Zeit und schlägt mir vor, dass wir
uns Montag zu einer ersten Vorbesprechung treffen. Um 12.30 Uhr vor dem Lehrerzimmer.
Ich finde die Idee gut, weil ich es mir nicht leisten kann, eine abweichende
Meinung zu haben. Um mich einzuschmeicheln, tue ich so, als interessiere
ich mich für sein Privatleben und frage, ob er dieses Jahr in Frankreich
Urlaub gemacht hat. Für einen Französischlehrer scheint mir das naheliegend.
Er verneint. Ich überlege, welche Länder sich mit seinem zweiten Fach in
Verbindung bringen lassen, Geschichte. Auf jeden Fall sehr alte Länder, die
es heute nicht mehr gibt. Ich tippe auf Griechenland, dann auf das Römische
Reich. Er war aber nur in Österreich, was mich vermuten lässt, dass er eine
sehr unprofessionelle Berufsauffassung hat.
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Montag, 9. August 04
Auch heute habe ich wenig mit Schülern zu tun gehabt. Die paar, denen ich
in den Fluren zum Lehrerzimmer begegnet bin, haben von einer Attacke auf
mich Abstand genommen. Sie haben es nicht eilig. Herr Kracht stellt mir für
die erste Woche einen Stundenplan zusammen. 30 Stunden muss ich insgesamt
in den sechs Wochen hospitieren. Ich entscheide mich, die Stunden alle in
der ersten Woche abzuarbeiten. So habe ich in den folgenden fünf mehr Luft
und kann mich auf die 12-16 Stunden Unterricht vorbereiten. Wissbegierig,
wie ich nun mal bin, habe ich Herrn Kracht auch schon einige der fachlichen
Fragen gestellt, die mir am meisten auf der Seele lagen: Wie mit Schülern
umgehen, die stärker bzw. größer sind als man selbst? Wie oft er schon von
Schülern niedergestochen worden sei? Dürfe man sich mit dem stärksten Schüler
der Klasse anfreunden, damit dieser einem den zweitstärksten vom Leib hält?
Und könne ich einen Kampfhund mit in die Schule bringen? Die Antworten von
Herrn Kracht haben mich nicht beruhigt. Ich glaube, er hält mich für seltsam.
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Dienstag, 10. August 04
Heute ist mir wieder nichts zugestoßen. Ich muss aufpassen, dass ich nicht
nachlässig werde und irgendwann mal einem Schüler den Rücken zuwende. Noch
bewege ich mich im Schulgebäude immer ganz nah an den Wänden entlang, um
wenigstens eine Front abzusichern. Die Schüler verhalten sich auffällig ruhig,
manche sogar auf eine Art freundlich aufgeschlossen, die nur den Schluss
zulässt, dass sie was im Schilde führen. Das weiß man doch aus jeder Zeitung.
Heute musste ich auch schon das erste Mal an meine intellektuelle Leistungsgrenze
gehen. Beim Hospitieren konnte ich mich bis zur vierten Stunde nicht entscheiden,
ob ich meine Protokolle nach alter oder nach neuer Rechtschreibung verfassen
soll. Schließlich habe ich mich auf einen Kompromiss verlegt, mit dem ich
seit Jahren gut fahre. Ich schreibe die Wörter einfach so, wie sie mir am
besten gefallen. So habe ich das schon zu eigenen Schulzeiten praktiziert.
Zwar haben meine Lehrer das nie anerkannt. Aber die sind mittlerweile alle
tot, was beweist, dass ich den längeren Atem besitze. |
Mittwoch, 11. August 04
Seit Montag habe ich schon 14 T-Shirts verbraucht. Es ist so heiß, dass ich
in jeder Pause das T-Shirt wechsle. Ich möchte nicht, dass die Schüler unter
meinen Achseln Schweißflecken entdecken. Gerade der erste Eindruck ist schließlich
der entscheidende. Noch gut erinnere ich mich an einen Referendar aus meiner
Schulzeit, der ob seiner sichtbaren Transpiration von uns Schülern sogleich
Herr Schwitz getauft wurde. Und hat man seinen Ruf erst mal weg, dann bleibt
er ewig an einem haften. Nein. Ich muss makellos daherkommen. Nur so bringe
ich die Kanaillen vielleicht dazu, meine Unfehlbarkeit anzuerkennen. Da ich
heute aber nur sieben T-Shirts dabei hatte und acht Stunden hospitierte,
musste ich in der letzten meine Arme so nach unten hängen lassen und dabei
die Schultern schräg nach oben vorne ziehen, damit die Schweißtropfen nicht
auf die Ärmel, sondern gleich auf den Boden fallen. Die dort sich bildenden
Pfützen habe ich dann heimlich mit meinen Schuhen zu den Schülern, die neben
mir saßen, rübergeschoben. Protokoll schreiben war natürlich auch nicht so
leicht, weil man in der Körperhaltung eines paradierenden Bodybuilders ziemlich
schnell verkrampft.
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Donnerstag, 12. August 04
Unter den Schülern scheint es Menschen zu geben. Immerhin bin ich auch nach
dem vierten Tag noch unversehrt. Und das, obwohl ich heute den grob fahrlässigen
Schnitzer begangen habe und aus Versehen einen Schüler anlächelte. Mir fiel
in dem Moment einfach kein anderer Gesichtsausdruck ein. Entgegen meiner
Befürchtung reagierte der Junge aber weder mit der Frage, ob ich schwul sei
noch mit der, ob ich eins in die Fresse wolle, sondern lächelte zurück. Das
bestärkt mich in dem Eindruck, an einem Elitegymnasium zu sein. Vielleicht
werden ich demnächst sogar mal grüßen.
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Freitag, 13. August 04
Hospitieren ist schwerer, als man gemeinhin annimmt, besonders, wenn man
sich vornimmt, allen wissenschaftlichen Kriterien gerecht zu werden. Heute
war ich in einer sehr unruhigen Geschichts-Stunde und manche Schüler interessierten
sich mehr für mich als für den Unterricht. Ich musste zahlreiche Fragen beantworten.
Dabei hatte ich den Schülern vorher erläutert, dass ich ein nicht-teilnehmender
Beobachter sei und darum nicht angesprochen werden dürfe, da ich dadurch
zwangsläufig den Unterricht manipulieren würde. Doch sie scherten sich nichts
darum: Warum ich denn Lehrer werden wolle? Ob ich nicht ein bisschen klein
dafür sei? Was ich studiere? Französisch? Ob ich denn schon einen Freund
hätte, weil der Detlef, der sei auch schwul? Wie lange ich denn schon studiere?
Was, schon fünfzehn Semester? Ob das Studium etwa zu schwer für mich sei?
Um die Stunde zu retten, entschloss ich mich, meine Gespräche mit den Schülern
mit zu protokollieren. Meine Protokolle haben zwei Spalten, eine für den
Verlauf des Unterrichts, die andere für Interpretationen und Kommentare.
In die Verlaufsspalte notierte ich beispielsweise: Eine Schülerin fragt den
Hospitanten, ob er nicht ein bisschen klein für den Lehrerberuf sei. In der
Interpretation/Kommentar-Spalte: Schülerin ist voll hässlich. Sollte lieber
mal den Mund halten. Oder: Einige Schüler halten Hospitanten für schwul,
weil er Französisch studiert. Kommentar: Das Bildungsniveau in der Klasse
lässt zu wünschen übrig. P.S. Der Hospitant ist nicht schwul. Schließlich:
Die Schüler vermuten aufgrund der Studiendauer von 15 Semestern, dass der
Hospitant mit seinem Studium überfordert ist. Kommentar: Der Hospitant hat
eine Freundin und darum nicht so viel Zeit zum Studieren.
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2.Teil: Stirb Langsam II
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