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Die Tour-de-France-Kolumne von Stephan Zeisig: "Ami Go Home!"

Zeisig Zur Person: Stephan Zeisig, geb. 1978, Intimkenner der internationalen Radsportszene und ausgewiesener Jan-Ullrich-Experte, schreibt während der Tour de France für ENTHUSIASTEN ONLINE seine Kolumne: "Ami Go Home". In seiner aktiven Zeit fuhr er für das Team Calippo Kirsche zahlreiche zweite Plätze beim Radsportklassiker S-Bahnhof Babelsberg - Uni Potsdam heraus. Seit seinem Rücktritt ist der "Venga-Venga-Mann" Autor Aufsehen erregender Radsportkolumnen.



Prolog-6.Etappe | 7.-13.Etappe | 14.-20.Etappe

7. Etappe

10. Juli, von Châteaubriant nach St-Brieuc, 204,5 km

Heute hat der jüngste Teilnehmer der Tour seine Etappe gewonnen, Filippo Pozzato, nach Meinung Herbert Watterotts Italiens größtes Radsporttalent. Da hat sich Herbert Watterott mal wieder, wie so oft, geirrt, denn das größte Radsporttalent Italiens ist bekanntlich Damiano Cunego, was mittlerweile in Europa jedes kleine Kind weiß. Aber Herbert Watterott ist ja auch kein kleines Kind mehr. Erik Zabel wurde heute Elfter, nur zehn Plätze vom Sieg entfernt. Deutschland muss trotzdem nicht traurig sein, da zum einen Pozzato wie der junge Didi Thurau aussieht, 1977 unser blonder Engel, und zum anderen Thomas Voeckler aus dem Elsass kommt. Somit kann man also mit Fug und Recht behaupten, dass heute zwei Deutsche auf dem Podium standen. Den weiblichen Radsport-Fans, die die Tour bisher nur wegen dem hübschen Mario Cipollini geschaut haben und die nun aufgrund dessen Ausscheiden traurig sind, empfehle ich den nicht minder schönen Danilo Hondo, der nun auch modisch mit einem zyanidblauen Stirnband nachgezogen hat. Wir müssen uns also optisch nicht hinter den Italienern verstecken.

8. Etappe

11. Juli, von Lamballe nach Quimper, 168 km

Heute gab es Regen. Dem aufmerksamen Leser mag diese Bemerkung sehr redundant vorkommen. Aber redundant ist auch das Wetter in Frankreich. Das ist aber nicht schlimm. Die Blumen kriegen nämlich nur das zu trinken, was ihnen letztes Jahr verwehrt wurde. Es ist ja eigentlich auch nett vom Wetter, daran gedacht zu haben. In Afrika zum Beispiel denkt es nicht an die Dürre vom vorigen Jahr und es gibt gleich noch eine. Daher die Wüste. Aber ich bin mir sicher, dass bis zu den Bergen die Hitze Einzug gehalten hat, weil es nämlich gar nicht so viel Flüssigkeit gibt und schon jetzt nur  Salzwasser runterkommt. Da hat sich Armstrong aber gewaltig verkalkuliert. Zweiter wurde heute im Sprint vor Erik Zabel der luxemburgische Bergfahrer Kim Kirchen. Bei Unkundigen mag das Erstaunen hervorrufen. Schließlich kennt man Kim gemeinhin als Mädchennamen. Aber die Verwirrung kann ich aufklären. Kim Kirchen ist nämlich nicht die Nichte von Eminems Freundin Kim, sondern der Neffe des nordkoreanischen Führers Kim Jong Il.

1. Ruhetag

12. Juli, von Limoge nach Limoge, 0 km

Ruhetag ist natürlich ein irreführender Begriff. Denn auch am Ruhetag schwingen sich die Fahrer aufs Rad, weil sie sonst sofort zunehmen und auf den folgenden Etappen nicht über die Berge kommen. Lance Armstrong hätte heute eigentlich eine Pressekonferenz geben sollen. Hat er aber nicht. Er ist nervös, wegen Jan Ullrich. Der hatte zwar noch nie vor der ersten Bergetappe schon 55 Sekunden Rückstand auf den Amerikaner, lag aber auch noch nie am ersten Ruhetag nur 55 Sekunden zurück. Das wirkt stärker. Für mich kam der Ruhetag zur rechten Zeit. Wegen des ganzen Regens in Frankreich hatte ich mich sogar erkältet, weil ich immer so nah am Fernseher saß. Ich habe trotzdem nicht die Beine hochgelegt, stattdessen im Internet recherchiert und eruiert, dass sich das Wetter in den nächsten Tagen bessert.

9. Etappe

13. Juli, von St-Léonard-de-Noblat nach Guéret, 160,5 km

Die heutige Etappe begann in St-Léonard-de-Noblat, ein Ort mit 6000 Einwohnern, der auch all denen ein Begriff ist, die nur eine vage Vorstellung davon haben, auf welcher Seite im ADAC-Autoatlas sie Frankreich suchen müssen. In St-Léonard-de-Noblat wohnt nämlich Poupou, Raymond Poulidor, der heute noch immer zu Unrecht als der ewige Zweite bezeichnet wird. Er war aber viel häufiger Dritter, genau fünf Mal, Zweiter nur drei Mal, womit ihn längst Jan Ullrich überholt hat, der schon fünf Mal auf dem zweithöchsten Treppchen stand und sich anschickt, seinen Vorsprung auszubauen, zumindest wenn es nach den Medien geht, deren Vertreter meiner Meinung nach fast durchweg inkompetent sind. Ein gutes Beispiel dafür ist Herbert Watterott, der dem Österreicher Gerrit Glomser eine bisher gute Tour de France bescheinigte, obwohl der auf Platz 157 liegt und weder vorne noch hinten im Feld auch nur irgendwie auf sich aufmerksam gemacht hat. Auch nicht durch Stürze. Das wäre auch schwierig, weil schon so viele Fahrer gestürzt sind, dass er einiges bieten müsste, um sich von der Masse abzuheben.

10. Etappe

14. Juli, von Limoges nach Saint-Flour, 237 km

Heute ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass das ZDF den Song Light in your eyes von Sheryl Crow als Titelmelodie für seine Toursendungen benutzt. Dass kann eigentlich kein Fauxpas sein. Das wäre so, als hätten ein Athlet aus der Sowjetunion bei den Olympischen Spielen aus Versehen zu seiner Siegerehrung die Nationalhymne der USA gesungen. Nein. Hier hat mit Sicherheit wieder die Bush-Administration ihre Hand im Spiel, die von Armstrong an der kurzen Leine geführt wird. Uns soll nicht nur der Sport sondern auch noch der Musikgeschmack verdorben werden. Darum fordere ich hiermit das ZDF auf, Sheryl Crow aus dem Programm zu verbannen und deren Song durch ein Lied von Gaby, der Freundin von Jan, zu ersetzen. Notfalls müsste man das eben noch schreiben. Aber wenn man sich beeilt, sollte das bis zur elften Etappe kein Problem sein. Light in your eyes hat mit Sicherheit auch nur einen Tag gedauert.

11. Etappe

15. Juli, von Saint-Flour nach Figeac, 164 km

Heute hat sich mal wieder erwiesen, dass einem nicht Leistungen den Weg ins Fernsehen ebnen sondern Seilschaften. Von denen hat zum Beispiel Herbert Watterott profitiert, der dafür als Reporter seinen falschen Senf von sich geben darf, wie folgenden: „In den Pyrenäen hat Armstrong zweimal den Grundstein für seinen Erfolg gelegt, 2000 und 2002, als er jeweils die erste Bergetappe dort gewann.“ So ein Fehler sollte meiner Meinung nach zur Entlassung führen, weiß doch wohl jedes kleine Kind, dass die erste Pyrenäen-Etappe 2000 rauf nach Hautacam von Xavier Ochoa gewonnen wurde und Armstrong mit 42 Sekunden Rückstand Zweiter wurde. Darum hier noch mal meine Forderung an die Reporter der Öffentlich-Rechtlichen: Macht den Platz frei für Jüngere! Ich traue mir den Job zu und stehe zu meiner Verantwortung! Auch wenn ich nicht wie Watterott gewusst habe, dass in der Auvergne ein vorzüglicher Rosé wächst und gedeiht. Aber ich trinke halt auch nicht so viel Alkohol wie gewöhnliche Journalisten.

12. Etappe

16. Juli, von Castelsarrasin nach La Mongie, 197,5 km

Jan Ullrich bot heute ein schauspielerische Meisterleistung. Lance Armstrongs Bluff 2001, als er auf der ersten Bergetappe die ganze Zeit über eine Schwäche simulierte, um dann am Schlussanstieg spielend allen davonzufahren, wirkt vor diesem Hintergrund wie eine Laiendarbietung. Ullrich hingegen gab sich die ganze Etappe über bärenstark und ließ sich dann rauf nach La Mongie in eine der hinteren Gruppen zurückfallen, um die Gegner zu mustern, die im Gesamtklassement keine Rolle mehr spielen werden. Auf die braucht er dann in den nächsten Tagen nicht mehr zu achten. Überdies wird ihn jetzt Lance Armstrong ob seines 20. Platzes auf die leichte Schulter nehmen, der Grundstein dafür, dass er nicht noch einen sechsten Toursieg erringen wird. Armstrong hinterließ nämlich heute einen ausgesprochen schlechten Eindruck und wurde nur Zweiter, nur zwanzig Sekunden vor Andreas Klöden, der von Ullrich nach vorne geschickt wurde, um den Texaner zu demoralisieren. Was auch vorzüglich gelang.

13. Etappe

17. Juli, von Lannemezan nach Plateau de Beille

Die Indizien verdichten sich. Ich habe schon fast alle zusammengetragen, die mir ermöglichen, das seltsame Favoritensterben zu erklären. Jan Ullrich will ich davon mal ausnehmen, der heute natürlich wieder geblufft hat, wenn auch nicht ganz so stark wie gestern. Aber Mayos Ausfall, die Aufgaben Hamilton und Zubeldia, die enttäuschenden Leistungen von Oskar Sevilla und Heras. Das kann kein Zufall sein. Weil Lance Armstrong sich nicht stark genug fühlte, um die Tour zu dominieren, was sich daran erweist, dass er nicht mal Basso abschütteln kann, hat er die Verpflegung von Mayo, Zubeldia, Heras und Sevilla vergiftet. Und von Hamilton den Hund umgebracht. Er wusste, wie sehr Tyler an diesem Hund hing und wie sehr ihn der Tod demoralisieren würde. Vinokourovs Unfall bei der Tour de Suisse, als er gegen ein Verkehrsschild prallte und seine Tour-Teilnahme abschreiben musste, muss in diesem Licht auch mit Armstrong in Verbindung gebracht werden,. Der sah keine andere Möglichkeit, den Kasachen kalt zu stellen, da dieser keine Tiere besitzt und seine Nahrung immer direkt aus Alma Ata einfliegen lässt.
14.Etappe