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Stephans Erasmus-Tagebuch
Stephans taz-Kolumnen
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Die Tour-de-France-Kolumne von Stephan Zeisig: "Ami Go Home!"
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Zur Person: Stephan Zeisig, geb. 1978, Intimkenner der internationalen Radsportszene und ausgewiesener Jan-Ullrich-Experte, schreibt
während der Tour de France für ENTHUSIASTEN ONLINE seine Kolumne: "Ami Go
Home". In seiner aktiven Zeit fuhr er für das Team Calippo Kirsche zahlreiche
zweite Plätze beim Radsportklassiker S-Bahnhof Babelsberg - Uni Potsdam heraus.
Seit seinem Rücktritt ist der "Venga-Venga-Mann" Autor Aufsehen erregender
Radsportkolumnen. |
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Prolog-6.Etappe | 7.Etappe-13.Etappe | 14.Etappe-20.Etappe
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Prolog
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3. Juli, Lüttich, 6,1 km
Mir geht es erwartungsgemäß dreckig. Nur Platz 16 für Jan Ullrich! 15 Sekunden
hinter dem Amerikaner! Dabei habe ich während des Rennens des Texaners die
ganze Zeit über beschwörend auf den Bildschirm gestarrt, damit er sich nicht
unbeobachtet fühlt. Leider ist ihm auch keine der Plastetüten in die Speichen
geflogen, die der Wind in Lüttich durch die Straßen trieb.
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1. Etappe
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4. Juli, von Lüttich nach Charleroi, 202,5 km
Nach eingehender Recherche habe ich die wichtigen Befunde zusammengetragen,
die meine These stützen, dass hinter dem 16. Platz von Jan Ullrich im Prolog
am Tag zuvor die amerikanische Regierung steckt, die das Kyotoprotokoll nämlich
nur nicht unterschrieben hat, damit es im Jahr 2004 einen beschissenen, regnerischen
und untertemperierten Sommer gibt und Jan Ullrich krank wird, was jetzt auch
tatsächlich eingetreten ist. Armstrong wird hingegen bei Regen und Kälte
erst gesund. Die enge Kollaboration zwischen Armstrong und Bush ist ja von
mir schon vor Jahren aufgedeckt worden. Um von diesem Klimakomplott abzulenken,
hat Armstrong seine ehemalige Physiotherapeutin Emma O`Reilly beauftragt,
Dopingvorwürfe gegen ihn zu erheben. Ein durchsichtiges Spiel, schließlich
dienen Dopinganschuldigungen dem Amerikaner regelmäßig dazu, sich den nötigen
Feinschliff für die Tour zu holen. Dass heute der neue Europäer Jan Kirsipuu
die Etappe gewann, kann da nur eine Randnotiz bleiben.
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2. Etappe
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5. Juli, von Charleroi nach Namur, 197 km
Heute war ich beim Augenarzt, um zu überprüfen, ob mit meinen Augen was nicht
in Ordnung ist, die bekanntlich dabei versagt haben, Lance Armstrong beim
Prolog einzuschüchtern. Der Arzt konnte leider nichts finden, bis auf eine
zunehmende Hornhautverkrümmung. Heute gab es einen sehr unsympathischen Etappen-Sieger:
Robbie McEwen, der beim Zielspurt nicht so ein Gentleman ist wie meine Lieblingssprinter,
weshalb die auch keine Etappen gewinnen. Meine Gedanken waren allerdings
schon längst bei der morgigen Etappe von Waterloo nach Wasquehal, auf der
nicht nur die Muur von Geraardsbergen zu bezwingen ist sondern auch zwei
pavés von Paris-Roubaix. Ich rechne mit zahlreichen Stürzen und lege mich mal darauf fest, dass Lance
Armstrong seine gesamte Mannschaft an die Pflastersteine verlieren wird und darum
das Team-Zeitfahren in zwei Tagen alleine bestreiten muss. Ein psychologischer
Vorteil für Jan Ullrich.
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3. Etappe
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6. Juli, von Waterloo nach Wasquehal, 210 km
In den ersten fünf Jahren meines Lebens wusste ich zum Beispiel gar nicht,
dass Waterloo in Belgien liegt. Das ist mir heute noch ein wenig peinlich,
da ich doch immer viel auf meine Universalbildung gab. Meine Prophezeiung
des Totalausfalls der Mannschaft von Lance Armstrong hat sich nicht bewahrheitet.
Das kann eigentlich nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Immerhin konnte
ich durch die Hubschrauberkamera beobachten, dass Jan Ullrich auf den beiden
Kopfsteinpflasterpassagen eine deutlich bessere Figur gemacht hat als der
Texaner. Dessen Arme haben viel mehr gezittert. Ein gutes Zeichen, wie ich
meine.
Dafür hat es Iban Mayo erwischt, für mich der hübscheste unter den Favoriten,
der heute aber durch seinen Sturz 3:55 min verloren hat. Meine Freundin findet
nicht, dass er gut aussieht. Zu dünn, zu feine Gesichtszüge. Eigenschaften,
die eine perfekte Beschreibung meiner Person abgeben. Was findet sie eigentlich
an mir? Mayos Sturz ist aber auch jenseits ästhetischer Erwägungen fies.
Neben Vinokourov, der schon vor der Tour gegen ein Verkehrsschild gefahren
ist, ist Mayo einer der wenigen Fahrer, die gegenüber Armstrong nicht schleimen
und dessen Verbot, ihn zu attackieren, einfach so akzeptieren. Also ein Verbündeter
weniger für Ullrich.
Die beiden deutschen Teams haben sich meiner Meinung
nach heute total unlogisch verhalten. Wieso hat Gerolsteiner für Hondo den
Sprint angezogen, obwohl der sich fast am Ende des Pelotons befand? Und wieso
hat das T-Mobile Team, statt vor dem morgigen Mannschaftszeitfahren Kräfte
zu sparen und US-Postal arbeiten zu lassen, Tempo gemacht? Sollten die Teamleitungen
diese Zeilen lesen, so wäre ich ihnen für eine Antwort sehr verbunden. Ich
würde es auch nicht weiterverraten.
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4. Etappe
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7. Juli, von Cambrai nach Arras, 64,5 km
Heute ist ein schlechter Tag für Deutschland. Amerikanischer Regen in Frankreich
und Jan Ullrich hat mit dem T-Mobile Team über eine Minute auf den gedopten
US-Postal-Zug verloren. Nur ich habe einen kühlen Kopf bewahrt und festgestellt,
dass die ARD-Experten falsch gerechnet haben und Jan nun mit 55 Sekunden
Rückstand im Gesamtklassement auf Lance sehen. Ich habe 43 Sekunden errechnet
und bin vermutlich der Einzige, der das komplizierte Mannschaftszeitfahrreglement
kapiert. Ein guter Grund für die Öffentlich-Rechtlichen, mal über mein Engagement
nachzudenken. Dafür könnten sie Rudi Altig entlassen. Der hat nämlich von
Radsport keine Ahnung, leider auch Walter Godefroot und Rudy Pevenage. Meine
Freundin hat sich auf die Seite des Amerikaners geschlagen, obwohl sie ihn
immer scheiße fand. Ihr Opportunismus ist stärker als ihre Prinzipien. Aber
ich denke, wenn Armstrong morgen des Dopings überführt wird, wird sie wieder
zu mir zurückkommen.
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5. Etappe
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8. Juli, von Armiens nach Chartres, 200,5 km
Wenn es nach mir ginge, könnte es endlich aufhören zu regnen. Es handelt
sich ja schließlich nicht um die Tour d`Irlande. Armstrong hat heute die
ganze Zeit voll grimmig geguckt.
Statt schlecht gelaunt zu sein, soll er sich mal lieber an die eigene Nase
fassen. Wer hat uns denn den beschissenen Sommer eingebrockt? Er und seine
Freunde von der Militärjunta in Washington. Ullrich hingegen sah trotz des
Regens immer noch wie ein sympathischer Gentleman aus. Darum ist es mir auch
ein Rätsel, warum Frau Sheryl Crow nicht ihn genommen hat. Für einen verbissenen
Texaner gibt man doch nicht einfach seine lesbische Grundgesinnung auf. So
wird sie jedenfalls keinen Hit mehr landen. Der deutsche Markt ist für sie
gestorben. Ebenso für Filme mit Robin Williams, der zu der bemitleidenswerten
Kategorie Prominenter gehört, die sich auf einmal als Fans von Athleten outen,
deren Sportarten sie vorher noch nie Aufmerksamkeit geschenkt haben. Und
zufällig ist die Wahl auf Lance Armstrong gefallen, weil das Herz natürlich
schon immer für die Außenseiter schlug. Man sollte mal Robin Williams fragen,
wer letztes Jahr Fünfter war. Und wenn er das nicht beantworten kann, erhält
er für Frankreich Einreiseverbot. Heute ist übrigens Thomas Voeckler ins
gelbe Trikot gefahren. Das sage ich nur für die Leute, die sich für die sportliche
Seite der Tour interessieren.
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6. Etappe
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9. Juli, von Bonneval nach Angers, 196 km
Das heutige Etappe schaute ich mir mit einem lachenden und einem weinenden
Auge an. Einerseits verlor Lance Armstrong heute auf Jan Ullrich 25 Sekunden,
weil vor ihm Fahrer stürzten und er so behindert wurde. Andererseits wurde
ihm der Rückstand nicht angerechnet, weil sich der Vorfall auf dem letzten
Kilometer ereignete und durch Stürze auf den letzten 1000 Metern bedingte
Zeitverluste nicht zu Buche schlagen. Ein weiterer Indiz für das proamerikanische
Reglement. Als genauem Beobachter ist mir überdies nicht entgangen, wo sich
Teile des Pelotons auf den Asphalt legten. 998 Meter vor der Ziellinie. Nur
drei Meter früher und Jan Ullrich läge nur noch 30 Sekunden hinter dem Irren
aus Austin zurück.
Wenn das ein Zufall ist, dann heiße ich Heike Drechsler. Keine Frage, hier
arbeitet im Hintergrund ein gut geöltes Räderwerk, welches Armstrong hier
und da immer mal einen kleinen Vorteil verschafft und ihm eine Sonderbehandlung
zuteil werden lässt. Isoliert sind diese Ereignisse kein großes Ding. Aber
addiert entscheiden sie über Sieg oder Niederlage. Wenn wir Deutschen immer
so geschummelt hätten. Dann ständen wir heute ganz woanders. Aber das darf
man ja nicht mehr sagen, weil man sonst für Bin Laden ist. Erik Zabel ist
heute Dritter geworden. Ein Sprinter vom Team Wiesenhof ließe mit diesem
Resultat sicherlich aufhorchen, Zabel mittlerweile auch, was aber die eigentliche
Misere ist und mich zu der erneuten Forderung an die Leitung vom T-Mobile-Team
bewegt: Macht den Platz frei für kompetentere Leute! Ihr habt mir mein Leben
schon viel zu oft zerstört.
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7. Etappe
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