Chaussee-Bote
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Diese Karikatur befand sich auf
dem Herrenklo des RAW-Ambulatoriums
und stellte angeblich mich dar.
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Ein paar Texte über meine Studentenjobs
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Bohni
Wer suchet, der findet
Wenn Weihnachten das Fest der Kinder ist, dann ist Ostern zweifellos das
Fest der Eltern. An diesem Tag können sie es ihren Bälgern mal so richtig
heimzahlen. Und meine Eltern zahlten heim. Ich weiß nicht, was ich schlimmes
verbrochen hatte, aber von frühester Kindheit an schickten mich meine Eltern
auf einen schwierigen Parcours,
der den Rest des Jahres einfach nur unser Garten war. Such-die-Eier nannten
sie die Mission Impossible, die ich zu bewältigen hatte. Kein Versteck war
ihnen fies genug. Sie versteckten orangene Eier in orangenen Krokussen. Sie
versteckten Eier in Bäumen, auf Bäumen, in dornigen Rosensträuchern, in Vogelnestern,
in Dachrinnen, im Gully. Manchmal verbuddelten sie sogar Eier im Buddelkasten,
manchmal im Komposthaufen. Ich durfte nicht eher aufhören, bis ich alle Eiern
gefunden hatte.
Mit den Jahren schärften sich meine Sinne. Ich kannte ihre Methode, ihren
üblen Charakter. Ich lernte zu denken wie sie. Wo würde ich nie suchen? Wo
würde niemand je suchen? Wo ist es am gefährlichsten zu suchen? Im Schornstein,
unter dem Auto? Alles war möglich. Das Unwahrscheinlichste am wahrscheinlichsten.
Doch als sie merkten, wie ich von Jahr zu Jahr versierter wurde, mich in
ihre kranken Hirne hineinzudenken, da änderten sie ihre Strategie. Sie versteckten
nun die Eier an einfachen Stellen. Dort, wo normale Eltern normalen Kindern
ein Erfolgserlebnis gönnen. An der Ecke vom Haus, hinter einem Stuhl, ja,
sogar mitten auf dem Rasen, ohne jede Tarnung. Und ich lief daran vorbei.
Ich lief an Eiern vorbei, die offen am
Wegesrand lagen oder einfach so auf dem Gartentisch. Natürlich, denn mein
Hirn hatte gelernt, verquer zu denken. Ich war kein normales Kind mehr, dass
wie ein Kind dachte, ich dachte wie ein Geisteskranker. Ich ging mit Leiter
und Spaten auf Eiersuche. Ich benutzte Werkzeug. Vielleicht war es das, was
meine Eltern erreichen wollten. Doch nun durchkreuzten sie meine alte Denkweise.
Ich lernte, das Unerwartete zu erwarten. Und in den folgenden Jahren kehrten
meine alten Sucherfolge zurück, bis die dritte Phase einsetzte. Sie war die
gemeinste, fieseste und boshafteste von allen. In ihr ging es nicht mehr
um suchen und finden. In ihr ging es um Verhöhnung, Verspottung, Demütigung.
Meine Eltern versteckten nun nicht mehr, sie stellten Fallen, legten falsche
Fährten, foppten und fintierten. Plötzlich lagen Blumentöpfe verkehrtherum
auf dem Boden, bildeten kopfstehende Eimer scheinbare Verstecke, waren Schubkarren,
die gestern noch ordentlich in einer Ecke standen, auf seltsame Weise an
ungewöhnlichen Orten platziert. Der ganze Garten war voller Versteckangebote,
die einem förmlich anschrien: „Hier liegt ein Ei“, Harken schienen wie Wegweiser
in Richtungen zu deuten, alles war Hinweis, alles war Symbol. Doch jedes
Mal, wenn ich ein offensichtliches Versteck entdeckte, Blumentöpfe lüftete
und Schubkarren beiseite stellte, erntete ich nichts als höhnisches Gelächter
und böse Sprüche. Der Höhepunkt dieses Spießrutenlaufs war ein Novum in der
Ostergeschichte, ein Schelmenstreich der besonderen Art, ein unbemaltes,
weißes Ei, versteckt unter weißen Eierschalen auf dem stinkenden Komposthaufen
in der Ecke des Gartens.
Ich fragte meine Eltern, warum ich all das erdulden musste, all die Demütigungen,
all die Jahre, und sie sagten, ich würde dadurch suchen lernen. Das ganze
Leben sei eine einzige Suche, und ich wäre mit den Jahren zu einem hervorragenden
Eiersucher herangewachsen. Und sie hatten recht. Ich war vielleicht der beste
Eiersucher, den die Welt je gesehen hat. Ich kannte alle Verstecke, alle
Tricks, alle Finten, ich fand Eier an den ungewöhnlichsten Plätzen. Ich fand
Eier an Plätzen, wo gar keine versteckt wurden. Ich fand Eier, die gar nicht
existieren konnten. Ich fand jedes Ei früher oder später. Ich war kein Eiersucher
mehr, ich war ein Eierfinder. Und doch hatten meine Eltern unrecht, denn
fürs Leben hatte ich nichts gelernt. Ich war zu spezialisiert auf Eier. Im
täglichen Leben fand ich gar nichts. Meine Hausschuhe nicht, meinen Turnbeutel
nicht, die Schere, den Kuli, die Hose und auch die Jacke nicht. Ich fand
nicht einmal die Milch, wenn sie im Kühlschrank direkt vor meiner Nase stand.
Ich kann mich nicht erinnern, je etwas gefunden zu haben, außer Eier. Am
meisten suchte ich meine Hausschuhe. Einmal zu Ostern versteckte meine Mutter
ein Ei in meinen Hausschuhen. Ich habe es erst Wochen später gefunden. Es
war sicher das beste Versteck, das sie sich je ausgedacht hat.
© Bohni
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