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Mein Job als Komparse
Eines Tages las ich wieder
die Listen der Stellenangebote der TUSMA. Ein Angebot fiel mir sofort ins
Auge. Das ehemalige DDR-Fernsehen suchte Kleindarsteller. Doch obwohl die
TUSMA stets auf political correctness Wert legte, war diese Anzeige ausdrücklich
an deutsche Studenten gerichtet. Wie konnte das sein? Der Job war zwar
nicht übermäßig gut bezahlt, aber er schien mir eine günstige Gelegenheit
zu sein, endlich ins Fernsehen zu kommen, diesmal ohne Bart und
wiedererkennbar.
Die Regieassistentin empfing uns in der Kostümkammer des DFF. Wir mussten
einzeln vorsprechen, und als mein Vorgänger sein Gespräch beendet hatte,
fragte ich ihn, welche Rollen wir nun zu spielen hätten.
"Ostdeutsche Neonazis."
Somit war auch klar, warum sie keine Schwarzafrikaner nehmen konnten. Mein
Vorgänger erzählte mir, dass sie ihm gegen eine kleine Entschädigung die
Haare rasieren wollten.
"Ach du Scheiße. Und? Machste?"
"Nee. Mann, ick wohn Prenzlberg. Ick könnt mich doch ja nich mehr
uff die Straße trauen."
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Wie er erzählte, hatte er sich trotzdem dazu
überreden lassen, dass ihm wenigstens die Seiten kurzrasiert werden. Das
gab fünfzig Mark extra, die er gut gebrauchen konnte. Glatze brachte 100
Mark. Ich überlegte, wie weit ich bereit war zu gehen. Als Student musste
man schließlich auf sein alternatives Aussehen achten. Ich war ohnehin
schon verdächtig, weil ich nie einen Palestinenserschal trug. Als ich
aufgerufen wurde, musterte mich die Regieassistentin. Nach kurzem Überlegen
sagte sie: "Ihnen schneiden wir nicht die Haare. In Ihnen sehe ich
eher den intellektuellen Nazi. Wenn Sie noch einen Anzug anziehen, sind
Sie perfekt. Haben Sie einen Anzug?"
"Naja. Ich habe noch einen alten Ostanzug vom Abiball. Der sieht aber
scheiße aus."
"Macht nichts. Hauptsache Anzug."
Sie machte ein Foto von mir und nahm mich in die Kleindarstellerkartei
auf. Es bereitete mir einige Sorgen, dass ich offenbar wie ein Nazi
aussah, immerhin wie ein intellektueller Nazi, quasi ein
Glatzenkommandeur. Ich überlegte, ob es unter diesen Umständen nicht
doch Zeit wäre, mir einen Palestinenserschal zuzulegen.
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An unserem ersten Drehtag kam ich wegen einer Prüfung
entschuldigt erst am Nachmittag. Meine kurzgeschorenen Leidensgenossen
hatten in der Zwischenzeit nach Studentensitte einen Streik organisiert. Man
hatte sie den ganzen Tag sinnlos warten lassen, was den zu erwartenden
Stundenlohn erheblich drückte. Die Fernsehleute waren entrüstet. So was hätten
sie noch nie erlebt. Was bildeten sich diese Studenten ein, sich wie zickige
Diven zu benehmen? Nach zähen Verhandlungen wurden schließlich 100 Mark
extra für uns ausgehandelt. Der Abend verlief dann auch nicht anders als
der Nachmittag. Die Arbeit beim Film bestand größtenteils aus Warten und
Rumstehen. Irgendwann durften wir auch mal durchs Bild huschen.
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Ich fiel unter den Studenten sofort wegen meines
Aussehens auf, weil ich als einziger einen hässlichen Anzug trug, der nicht
richtig passte und außerdem lange Haare hatte.
"Warum hast du nen Anzug an."
"Keene Ahnung. Die meinen wohl, ich seh auch so wie ein Nazi aus."
"Stimmt ja ooch."
Monate später schaute ich mir den Film zusammen mit Freunden im Fernsehen
an. Es war "Polizeiruf 110", die Folge "Thanner in
Berlin". Thanner war der Gehilfe von Tatort-Schimanski und wollte nicht
länger die zweite Geige spielen. Deshalb hatte er im Osten einen Job als
Chefkomissar mit Buschzulage angenommen. Die alten Fernsehlieblinge vom
Polizeiruf rückten aufgrund ihrer Vergangenheit ins zweite Glied. Als ich
meinen Freunden erzählte, welche Rolle ich zu spielen hatte, machten sie
blöde Witze über mich und nannten mich ab sofort Nazi-Kampa, ein
Spitzname, der mich fortan in Erklärungsnot brachte, wenn ich auf Partys
vorgestellt wurde.
"Das ist Bohni. Aber wir nennen ihn Nazi-Kampa."
"Bist du etwa ein Nazi?"
"Nein. Bin ich nicht."
"Siehst aber ein bisschen so aus."
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Um mein schlechtes Image zu korrigieren, kaufte
ich mir schließlich doch einen Palestinenserschal. Es was gerade die Zeit,
als Palestinenserschals aus der Mode kamen. Somit wurde ich der einzige
Student, der modisch noch ernsthaft für die Freiheit Palestinas kämpfte.
Das machte mich verdächtig. War ich etwa Antisemit, weil ich mich so
einseitig im Nahostkonflikt engagierte? Er sieht ja ein bisschen so aus wie
ein Nazi. Und hat man ihn nicht mal Nazi-Kampa genannt?
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