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Auftritte
26.9. (So)
9:00-12:39, Berlin
Berlin-Marathon
Ich stehe diesmal
unterwegs für Interviews zur Verfügung.
4.10. (Mo) Theater o.N.,
Kollwitzstr. 53
Literatursalon
am Kollwitzplatz
Ich lese was von mir und
einem Autor meiner Wahl,
und wer kann das schon sein?
Außerdem dabei
Tone Avenstroup (Norwegen)
21.11. (So) 20:00, Berlin,
Kaffee Burger
Reformbühne Heim&Welt
Chronik
Ich trete seit einem Jahr im
Chronisten-Catchen gegen
Altmeister Falko Hennig an. Jochens
Chronik gegen Falkos
Chronik, wer hat den längeren Atem?
Verborgte
Sachen, in chronologischer Reihenfolge. Wenn jemand die entsprechenden
Personen
trifft, wäre ich ihm dankbar, wenn er sie für mich daran erinnert:
- Heiner
Rosch: die Jimmy-Hendrix-Kassette mit Mike Oldfield auf der B-Seite
- Hans-Martin
Sprenger: Nick Hornby "Fever pitch"
- Paul
Motikat: Gitarren-Overdrive
- Anne
Gallou: Bertolt Brecht "Arbeitsjournal Teil 1", Sabine Kebir "Ein ganz
normaler Mann"
- Anonymus:
Paolo Conte "900"
- Bella
Burkia: Christa Wolf "Nachdenken über Christa T."
- Sebastian
Fisahn: Sebastian Haffner "Von Bismarck zu Hitler", Claude Lévy-Strauss
"Traurige Tropen"
- Sascha
Strutz: Fabliaux (Hg. Albert Gier)
- Tube:
Samuel Beckett "Watt", Christian Kracht "Faserland"
- Barbara
Schmidt: Marie Pohl "Maries Reise"
- Lena
Ruthner: Anatoli Pristawkin "Schlief ein goldnes Wölkchen"
- Volker
Strübing: Nick Hornby "33 Songs"
- Dan
Richter: VHS mit Doku über DDR-Grenzsoldaten, Dubravka Ugrešić "Kultur
der Lüge"
Bohni:
Michel Tournier "Der Erlkönig"
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Schmidterix bei den Weißrussen |
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12.9.04
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Prasdnik
Gestern hatte Minsk Geburtstag, das Jubiläum ist aber erst in neuerer Zeit
von Lukaschenko aus nur ihm bekannten Gründen auf den 11.September festgelegt
worden. Das Zentrum war voller Jugendlicher, die nicht so unterdrückt aussahen,
wie es sich aus unserer Sicht für sie gehören würde. Ich habe meine Paranoia
auch ein bißchen abgelegt, nachdem ich anfangs noch dachte, ich müßte mir
meine Aufzeichnungen in Minischrift in die Fußnägel ritzen, um nichts zu
riskieren. Bis jetzt hat mich noch keiner der vielen Polizisten angesprochen.
Vielleicht wollen sie mir aber auch nur Spielraum lassen, damit ich sie zu
den wichtigeren Hintermännern führe.
Mit unserer Gruppe ist es inzwischen wie im Kindergarten, jeder gibt an die
anderen die Bakterien weiter, die die anderen noch nicht haben. Das ist der
einzige Punkt, in dem wir uns einig sind, sonst gibt die Gruppe bei der Entscheidungsfindung
ein Bild ab, das an den Zerfall Jugoslawiens erinnert, selbst wenn es nur
darum geht, ob wir einen Text über das russische Schulsystem oder über den
russischen Arbeitsmarkt lesen wollen.
Zum Glück hatte ich schon als Kind Windpocken, jetzt muß ich also nur noch
Mumps kriegen. Fürs erste gebe ich mich aber mit einer Erkältung zufrieden,
wegen der ich den ganzen Tag auf dem Zimmer bleibe. Von draußen hört man
das rhythmische Quietschen einer Schaukel, mit der ein Kind sich beschäftigt,
das den ganzen Tag nicht zu Hause bleibt. Normalerweise würde ich jetzt Radio
hören und dabei spielend leicht die Sprache lernen. Leider kommt hier im
Radio auf keinem der vielen Sender etwas anderes als russische Ballermannmugge.
Und die Nachrichten kennt man nach den ersten Tagen schon auswendig. Der
einzige Wortbeitrag, den ich bisher erwischen konnte, handelte davon, daß
man an seinen Hund keine Kartoffeln verfüttern soll.
Das große Feuerwerk zur Feier des Minsker Jubiläums habe ich dann erkältet
aus der Küche im 13.Stock gesehen. Gleich bei den ersten Explosionen gingen
in der ganzen Stadt die Autoalarmanlagen an. Unten war auch wieder die Stretch-Limousine
zu sehen, die einem Minsker gehört, der wahrscheinlich besonders hart arbeitet,
um sich so ein schönes Auto leisten zu können.
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13.9.2004
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Tschechow
Der größte russische Autor, der, wie jeder zugeben wird, viel besser ist,
als der doch sehr geschwätzige Dostojewski, war heute Thema im Kurs. "Dame
mit Hündchen" ist eine geniale Liebesgeschichte, deren Clou darin besteht,
daß sie keinen Haken hat, sondern eine Art nachdenkliches Happy End. Allerdings
haben meine um die 20jährigen MitstudentInnen noch nicht genug negative Erfahrungen
im Leben gesammelt, um würdigen zu können, auf welch subtile Weise Tschechow,
von dem man ja eigentlich nur Bitterkeit erwartet, hier seine Zeitgenossen
provoziert. Er wäre in diesem Jahr übrigens 154 Jahre alt geworden, aber
er ist an der Enttäuschung über alles mögliche schon viel früher gestorben.
In der Geschichte verliebt sich ein 40jähriger Schwerenöter
auf der Krim in eine 20jährige Dame mit Hündchen, die noch nie fremdgegangen
ist. Er hält es für einen Sommerflirt, den er schnell vergessen wird, aber
zu Hause muß er angesichts seiner öden Umwelt immer noch an sie denken.
Seine Frau ist blasiert und die Arbeit in der Bank langweilig.
Er fährt in die Stadt des Mädchens und trifft sie im Theater. Sie setzen
ihr Verhältnis fort, sie besucht ihn alle paar Monate in Moskau und sagt
ihrem Mann jedesmal, daß sie zu einem speziellen Moskauer Frauenarzt muß.
Am Ende ist von langen Gesprächen die Rede, in denen die beiden nach einer
Lösung für ihr Dilemma suchen.
Wir sollten zu Hause eine Fortsetzung fuer die Geschichte schreiben. Es gab
in meinen Augen nur eine Auflösung: das Verhältnis zieht sich hin, ihm kommen
Zweifel, ob das junge Ding es wirklich wert ist, seine Kinder zu verlassen.
Sie wird schwanger, sagt ihm aber nichts, weil sie darauf wartet, daß er
sich freiwillig scheiden läßt. Dann erfährt sie, daß ihr langweiliger Mann
sie auch betrügt. Sie verlangt von ihrem Geliebten, ihren Mann zum Duell
zu fordern. Der Geliebte reist auch tatsächlich an, aber statt sich gemeinsam
umzubringen, plaudern die beiden Männer die halbe Nacht über ihre Studentenzeit
und schließen Freundschaft. Der Held reist wieder nach Moskau ab, fest entschlossen,
seine Ehe zu retten. Der langweilige Ehemann lernt Klavier spielen, um weniger
langweilig zu sein. Die Dame mit Hündchen kauft sich einen zweiten Hund.
Unsere Lehrerin meinte, sie hätte von mir nichts anderes erwartet, ich sei
eben kein Romantiker. Das fand ich sehr verletzend. Ist es denn romantisch,
wenn man sich etwas vormacht? Ich bin für eine kritische Romantik auf einem
hohen Bewußtseinsniveau, aber ich konnte ihr meine Position in der Aufregung
nicht erklären, weil ich erst seit 21 Jahren russisch lerne.
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14.9.2004
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Den Tag im Bett
Nach zwei Wochen habe ich entdeckt, daß es im Parterre des Wohnheims eine
Stolowaja gibt, eine Art Schnellrestaurant. Das erklärt auch den Geruch,
der aus der Richtung kommt, wenn man durch die Tür tritt. Den hatte ich immer
dem eigenartigen Portier zugeschrieben, der die Ausweise nach einem interessanten
Prinzip kontrolliert: er will einfach nur die von den Mädchen sehen.
Bisher ernähre ich mich von Nudeln zum aufbrühen in den Geschmacksrichtungen:
Pilzaroma, Hühneraroma und gebratene Zwiebel-Aroma. Die Nudeln selbst bestehen
meiner Meinung nach aus einem speziellen Polymer, da sie sich in heißem Wasser
von Plastefasern in weiche Kringel verwandeln, die zwar nicht gegen den Hunger
helfen, aber auch nicht weiter stören. In der Stolowaja bekommt man alles
frisch in der Mikrowelle aufgewärmt. Zweifelt man, ob man etwas essen sollte,
versichern die Frauen einem, daß es "wkussno" sei, was nicht etwa "lecker"
heißt, sondern "schmeckt gut". Das Alubesteck verursacht elektrische Entladungen
an den Plomben, eine Erinnerung an meine 12 Jahre Schulzeit, in denen wir
auch solches Besteck hatten. Meine jungen Mitreisenden wußten davon nichts
mehr, sie sind schon im Westen mit goldenen Löffeln aufgewachsen. Statt an
Colt Seavers erinnern sie sich an Knightrider. Ich weiß nicht, warum es keine
Messer gibt, ob aus Sicherheitsgründen, oder weil man alles auch mit dem
Löffel kleinkriegt. Das Essen schmeckt sehr gut, und wenn nicht, dann merkt
man es nicht, weil auf allen Gerichten zwei große Löffel Sahne landen, damit
es besser rutscht. Es wäre also gelogen, zu behaupten, daß mir hier nichts
anderes übrig bleibt, als mit dem Essen zu brechen.
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15.9.2004
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Verkaufsgespräche
Das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion ist berühmt für seine eigenwillige
Auffassung von Service. Das Verkaufspersonal ist darauf geschult, einem nicht
das Gefühl zu geben, es handle sich beim Konsumieren um einen entfremdeten
Vorgang, bei dem man als anonymer Kunde Geld gegen Ware austauscht und sich
zwischen den Verkäufern vorkommt wie ein wildes Tier, das in eine Treibjagd
geraten ist. Nein, jeder Einkauf wird zu einem besonderen Ereignis, weil
man nie weiß, wie einem die Verkäuferinnen entgegentreten werden. Spätestens
beim Bezahlen bringt man sie auf die Palme, weil es unmöglich ist, die richtigen
Geldscheine zu finden, von denen es in Weissrussland so viele Sorten gibt.
Ich vermute ja, daß in einigen Regionen Weißrußlands auch Bonbonpapier als
Zahlungsmittel anerkannt ist. Als Briefmarken kann man sowieso alles benutzen,
was irgendwie bunt ist.
Ich hatte heute ein unkompliziertes Verkaufsgespräch an einem der Kurzwarenkioske in einer Unterführung:
- Knopki jest? (Gibt es Reißzwecken?)
- Netu knopok. (Es gibt keine Reißzwecken)
Daß sich in einem so harmlosen Dialog ein Genitivus negativus (?) verbirgt,
hat dem Moment eine besondere Würde verliehen. Außerdem müßte es rein grammatisch
"Netu knopk" heißen, was aber unaussprechbar ist und weshalb ein "o" als
Füllvokal erforderlich wird. So viel Grammatik und Phonetik in einem harmlosen
Gespräch über Reißzwecken, das ist Aufklärung live.
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16.9.2004
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Frauenbeine
Ich muß dieses Forum nutzen, um etwas anzuprangern, was mir schon lange auf
dem Herzen liegt. In der "Kleinhandelzeitung", die ich manchmal kaufe, wenn
ich einmal nicht das hiesige Neue Deutschland lesen will, stand eine internatonale
Top 10 der schönsten Frauenbeine. Ich denke, die Umfrage basiert auf mindestens
so fragwürdigen Kriterien wie die letzte Wahl von Lukaschenko zum Präsidenten.
Ich bezweifle, daß ein internationales Wahlbeobachterteam vor Ort war, sonst
hätte das Ergebis nicht so vorhersehbar ausfallen können. Auf Platz 1 rangierte
nämlich die eklige Szene mit Sharon Stone, bei der sie Michael Douglas unter
ihren Rock gucken läßt. In Wirklichkeit hat das noch nie ein Mann erotisch
gefunden, schon weil man die Beine aus der Frontalperspektive sieht, also
in extremer perspektivischer Verkürzung, ähnlich wie auf manchen mittelalterlichen
Jesusbildern, was immer einen unschönen Effekt ergibt. Aber noch schlimmer
fand ich, daß die sicher nicht unsympathische, aber eindeutig magersüchtige
russische Turndiva Svetlana Chorkina auf Platz 5 kam. Es ist mir ein Rätsel,
wie ein Mädchen, das sich zu einem Knochengestell herunterhungert, als atemberaubend
elegante Erscheinung bewertet werden kann. Ich weiß nicht, wer hinter solchen
Behauptungen steckt und was damit bezweckt werden soll.
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17.9.2004
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Gorizont
Die Firma Gorizont stellt fast 1 Millionen Fernseher im Jahr her. Normalerweise
machen sie keine Betriebsbesichtigungen, aber da der Präsident letzte Woche
hier war, haben sie auch uns auf Anfrage reingelassen. Wir gingen, wie sie
betonten, genau auf seinen Spuren durch die Endfertigung, wo fleißige Frauenhände
die Leiterplatten bestücken. Am besten hat uns das Modell "Kombat" gefallen,
ein Fernseher in Tarnfarben für die Armee. Aber es gibt auch ein Modell "Chumanik",
das mit einem reden kann, bzw. zumindest einen guten Morgen wünscht ("On
moschet poschelatch dobrowo utro"). Das wäre sicher ein klassischer Fehlkauf,
wenn man sich hier einen billigen Fernseher besorgt und zu Hause feststellt,
daß man mit ihm russisch reden muß, damit er umschaltet.
Es gibt noch eine zweite Fernsehfabrik in Bjelorußland, ein Witebsker Werk,
das das Modell "Witjas" herstellt, was auf deutsch "Recke" heißt. Viele Produkte
hier haben solche sprechenden Namen, einen Fernseher "Horizont" zu nennen,
wirkt ja auch ein bißchen sarkastisch. In der Regel klingt hier alles nach
ferner Zukunft oder nach griechischer Mythologie, also ferner Vergangenheit.
"Super Klej Monolit" ist ein Kleber. Mit der Taschenlampe "Kosmos" bekommt
das Kind einen ersten Eindruck vom Kosmos, wenn es in den Himmel leuchtet.
Unser Herd, dessen Platten nach
dem Zufallsprinzip angehen, so daß man wie bei 1-2-oder 3 eine Chance aus
dreien hat, eine heiße Platte zu erwischen, heißt "Elektra". Die Kopfhörer
heißen "Feniks" und das Telefon "Proton". Es gibt einen Rockclub, der "Reaktor"
heißt, mit einem Radioaktivitätszeichen als "o". Aber am schönsten finde
ich die Kondommarke "One Man Show".
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Bücher - CDs - Kartenspiele
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Gebrauchsanweisung
für die
Bretagne
Piper-Verlag
12,90 Euro
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Müller haut uns raus
DTV
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Müller haut uns raus
Verlag C.BECK
19,90 Euro
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Seine großen Erfolge
DTV
12,00 Euro
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Triumphgemüse
DTV
9,00 Euro
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Triumphgemüse
Verlag C.H.Beck
17,50 Euro
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Plattenbauten
ein Quartettspiel
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Seine großen Erfolge
Solo Hörbuch Verlag
16,90 Euro
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