Kommissar Mörharts letzter Fall  II

von Dan Richter

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Bohnefeld – Bohni
Johann – Robert 
Naumann

Mörhart – Volker 
Strübing
Kortzborken – Jochen
Schmidt
Sprecher, Chef – Dan
Richter
Rechtsanwalt – Stephan
Zeisig

Requisiten: Schreibtischlampe, Arztkittel

 

(aufgeführt am 21.4.05)

  2. Mörhart tappt im Dunkeln

 

SPRECHER: In der St. Maximilian-Kirche wurde der einzige treue Kirchbesucher, Herr Krausnick, bestialisch gekreuzigt und mit einer Lanze erstochen. Pfarrer Bernhard, seine Haushälterin Ingrid und der Messdiener Ulf sind schockiert. Als Hauptverdächtigen verhaften Kommissar Mörhart und sein treuer Assistent Bohnefeld den Glöckner Johann Steißmeier. Kommissar Mörhart bleibt skeptisch. Er hofft, beim Verhör von Steißmeier mehr zu erfahren.

BOHNEFELD: Johann Steißmeier?

JOHANN: Ja?

BOHNEFELD: Geboren am 7. August 1938?

JOHANN: Ja, das ist mein Geburtstag. Da freu ich mich immer meistens oft.

MÖRHART: So, Freundchen. Wir werden gleich ganz andere Saiten aufziehen. (macht die Schreibtischlampe an, die aber dem Johann nicht ins Gesicht leuchtet).

JOHANN: Jawohl.

MÖRHART: Du hältst dich wohl für ganz gewieft, was? Glaubst du denn, ich wüsste nicht, was hier gespielt wird?

JOHANN: Ja.

MÖRHART: Ja? Was „Ja.“?

BOHNEFELD: Fangen wir vielleicht ganz einfach an: Wo waren Sie, als Herr Krausnick die Kirche betrat, also 17.30 Uhr.

JOHANN: In der Kirche.

MÖRHART / BOHNEFELD (schauen sich bedeutungsvoll an): Ah ja.

BOHNEFELD: Haben Sie gesehen, wer die Jesuspuppe, äh, die Dings, die
Jesusattrappe,...

JOHANN: Den Jesus?

BOHNEFELD: Ja, den Jesus, wer den vom Kreuz genommen hat?

JOHANN: Ja.

MÖRHART / BOHNEFELD (schauen sich bedeutungsvoll an): Ah ja.

BOHNEFELD: Und? Wer war’s?

JOHANN: Na, ich selber.

MÖRHART / BOHNEFELD (schauen sich bedeutungsvoll an): Ah ja.

BOHNEFELD (aggressiv): Und haben Sie auch gesehen, wer den Herrn Krausnick ans Kreuz genagelt und ihn dann mit einer Lanze erstochen hat?

JOHANN: Ja.

MÖRHART / BOHNEFELD (erstaunt): Und?

JOHANN: Na, ich selber.

MÖRHART (nimmt Bohnefeld heimlich beiseite): Besorgen Sie dem armen Mann einen Anwalt, der redet sich ja um Kopf und Kragen.
(zu Johann): Gut, wir haben das alles protokolliert. (zu Bohnefeld:) Führen Sie ihn ab.

Bohnefeld führt Johann ab.
Kortzborken auf die Bühne

 

KORTZBORKEN: Ach, gut, Herr Kommissar, dass ich Sie noch antreffe.

MÖRHART: Joachim Kortzborken, Sie Laborratte! Habe ich „herein“ gesagt?

KORTZBORKEN: Ich habe hier etwas, das dürfte Sie interessieren.

MÖRHART: Machen Sie’s kurz, ich muss ein Wörtchen mit dem Chef reden.

KORTZBORKEN: Ja, ja.

 

Mörhart läuft schnell (!) vorneweg, Kortzborken hinterher durch den „langen Flur“ (Mittelgang zwischen Zuschauerreihen einmal hin und zurück.) Dabei hält Kortzborken dem Kommissar ständig irgendwelche Papiere vor die Brust. (Text kann improvisiert werden. Ungefähr folgendes:)

 

KORTZBORKEN: Also, passen Sie auf, die DNA-Analysen sind heute aus dem Labor gekommen.

MÖRHART: Ja, ja.

KORTZBORKEN: Die Haare an der Lanze sind identisch mit denen von Johann Steißmeier.

MÖRHART: Ja, ja, schon klar.

KORTZBORKEN: Wir haben auch die Fingerabdrücke am Kreuz überprüft. Alles identisch.

MÖRHART: Ja, ja.

 

Und so weiter mit DNA-Belanglosigkeiten, bis die beiden wieder auf der Bühne sind.
Dann folgender Dialog:

 

KORTZBORKEN: Aber wissen Sie, was der Hammer ist?

MÖRHART: Nein, was denn?

KORTZBORKEN: Schauen Sie sich mal diese beiden Fotos an. (Hält zwei Blätter in die Höhe)

MÖRHART: Was ist das?

KORTZBORKEN: Das linke hier haben unsere Fotografen geschossen, als wir mit der Spurensicherung schon fertig waren.

MÖRHART: Die Jesuspuppenattrappe!

KORTZBORKEN: Was?

MÖRHART: Na der Jesus.

KORTZBORKEN: Genau. Und jetzt schauen Sie sich  mal hier das rechte an.

MÖRHART: Exakt die selbe Jesuspuppe.

KORTZBORKEN: Fast. Vergleichen Sie mal die Schatten.

MÖRHART: Jetzt seh ich’s. Hier ist der Schatten des Fotografen ein bisschen größer.

KORTZBORKEN: Genau.

MÖRHART: Mit anderen Worten, es ist gar nicht ein und derselbe Abzug eines Fotos,

MÖRHART und KORTZBORKEN: Sondern zwei verschiedene.

MÖRHART: Kortzborken, Sie sind ein Genie! Bleiben Sie da dran.

 

Kortzborken ab.
Mörhart klopft an die Tür des Chefs. Der sitzt am Schreibtisch.

CHEF: Ja?

MÖRHART (tritt ein): Hallo Chef!

CHEF: Kommissar Mörhart! Haben Sie etwas rausgekriegt aus diesem senilen Glöckner?

MÖRHART: Nun ja, er hat gestanden.

CHEF: Bravo! Bravo, Mörhart! Da haben Sie ja seit Monaten mal wieder was Anständiges geleistet.

MÖRHART: Danke Chef!

 

Lange Pause. Chef wartet, dass Mörhart geht, aber der druckst rum.

 

CHEF: Was ist denn noch?

MÖRHART: Nun, Chef, ich denke, die Sache hat einen Haken.

CHEF: Was denn?

MÖRHART: Wissen Sie, das läuft alles viel zu glatt. Wenn Sie mich fragen, da ist was faul.

CHEF: Mensch Mörhart, jetzt hörn Sie aber mal auf, der hat gestanden. Basta! Der Fall ist abgegurkt.

MÖRHART: Was ist der Fall?

CHEF: Abgegurkt. Sagen Sie nicht, Sie haben noch nie „abgegurkt“ gehört. Wie lange arbeiten Sie eigentlich schon hier?

MÖRHART: Ich? Ich äh, ich arbeite so lange..., fast so..., länger als..., also praktisch genau so lange wie der Dingsbums.

CHEF: Dingsbums?

MÖRHART: Na, hier..., ich komm grad nicht auf seinen Namen, der aus der Abteilung, wo die immer die Dings-Akten..., äh..., na? Sag schon..., äh...

CHEF: Mörhart!

MÖRHART: Ja?

CHEF: Der Fall Krausnick ist für Sie abgeschlossen!

MÖRHART: Ja, aber...

CHEF: Nichts „aber“!

MÖRHART: Ich dachte...

CHEF: Sie denken? Das ist ja ganz was Neues. Raus! Und machen Sie sich an die Arbeit. Akten sortieren!

MÖRHART: Aber Chef! Ich habe zwei Fotos, die unterschiedlich sind.

CHEF: Auf Wiedersehen, Mörhart.

 

Mörhart geht zur Tür raus. Chef ab.

Bohnefeld und Mörhart im Auto. Bohnefeld am Steuer. Sie fahren still, bis zum Dialog unten.

Andere Bühnenseite: Anwalt und Johann sitzen sich auf zwei Stühlen gegenüber.

 

ANWALT: Also, wir wollen doch versuchen, dass Sie so unbeschadet wie möglich aus dieser Sache herauskommen.

JOHANN: Jawohl, Herr Doktor.

ANWALT: Ich bin nicht Ihr Doktor, ich bin Ihr Anwalt, Herr Steißmeier.

JOHANN: Ganz recht, Herr Anwalt.

ANWALT: Also, was wir hier machen, ist kein Verhör, Sie müssen mir nur sagen, wie die Dinge aus Ihrer Sicht abgelaufen sind.

JOHANN: Na, ich habe den Krausnick gekreuzigt und dann mit der Lanze in die Seite gepiekt.

ANWALT: Herr Steißmeier, wenn Sie das vor Gericht auch so sagen, dann kommen Sie lebenslang in Haft. Und wer auch immer Herrn Krausnick mit der Lanze behandelt hat – „gepiekt“ ist dafür wohl die falsche Vokabel. Sämtliche Innereien sind da rausgepolkt worden!!

JOHANN: Jawohl.

ANWALT: Sehen Sie, für mich klingt das unglaubwürdig. Sie sind ein alter Glöckner, wie wollen Sie denn den Krausnick gekreuzigt haben, und vor allem warum?

JOHANN: Warum, warum! Warum ist die Banane krumm? Er war ein Sünder und musste büßen. Die Last, die der Heiland für uns getragen hat, war ja wohl das Mindeste für einen Gauner wie den.

ANWALT: Oh ha!

JOHANN: Ja. Und ich bin zwar alt, aber eigentlich noch ganz rüstig. Einen Menschen zu töten fällt mir nicht schwer. Pass mal auf!

 

Johann steht auf und erwürgt den Anwalt. Setzt sich dann wieder auf den Stuhl. Anwalt bleibt liegen.

 

BOHNEFELD: Und? Will der Chef Ihnen wieder den Fall wegnehmen?

MÖRHART: Schlimmer!

BOHNEFELD: Noch schlimmer?

MÖRHART: Er will ihn abschließen.

BOHNEFELD: Na ja, wir haben einen Hauptverdächtigen. Alle Indizien sprechen gegen ihn. Und vor allem: Er hat gestanden. Wenn Sie mich fragen, ein guter Zeitpunkt, um einen Fall abzugurken.

Pause. Mörhart beobachtet Bohnefeld misstrauisch.

MÖRHART: Bohnefeld, verstehen Sie denn nicht, das läuft doch alles viel zu glatt. Kennen Sie auch nur einen einzigen Mordfall, wo der erste Verdächtige am Ende auch der Mörder war?

BOHNEFELD: Kain und Abel.

MÖRHART (genervt): Haha.

BOHNEFELD: Die Morde an Lincoln und diesem Prinzen da in Sarajevo.

MÖRHART: Gut. Welche Fälle noch?

BOHNEFELD: Der Giftmord von Hellersdorf, das Eisbeinmassaker von Lichtenberg, das Sockengemetzel von Spandau und das Blutbad vom Tierpark Friedrichsfelde.

MÖRHART: Na gut. Sie haben recht. Trotzdem. Die Sache mit dem Krausnick stinkt zum Himmel. Meistens ist es doch der Unverdächtigste, der den meisten Dreck am Stecken hat. Und den werden wir uns jetzt vorknöpfen.

BOHNEFELD: Pater Bernhard?

MÖRHART: Nein, mein lieber Bohnefeld, den Messdiener!

BOHNEFELD: Messdiener Ulf?

MÖRHART: Mein lieber Bohnefeld, strengen Sie doch mal Ihren Grips an: Vom Haus des Glöckners bis zur Kirche sind es drei Minuten zu Fuß, wer sagt uns denn, dass der Glöckner zu Fuß gegangen ist?

BOHNEFELD: Ein Fahrzeug?

MÖRHART: Vielleicht ein Fahrzeug. Aber könnte es nicht vielmehr so sein, dass jemand den Glöckner getragen hat?

BOHNEFELD: Wieso denn getragen? Und wieso den Glöckner? Ich blick nicht mehr durch.

MÖRHART: Dann sehen Sie mal, was ich von Kortzborken heute aus dem Labor bekommen hab.

BOHNEFELD: Zwei Fotos.

MÖRHART: Ja, aber zwei unterschiedliche.

BOHNEFELD: Kommissar Mörhart, Sie sind ein Genie!

 

MUSIK: Hells Bells

 SPRECHER: Sind die Fotos wirklich so unterschiedlich? Ist Steißmeiers Anwalt wirklich tot? Werden Mörhart und Bohnefeld den Messdiener brutal verhören? Wird Mörhart wegen Kompetenzüberschreitung vom Dienst suspendiert? Wenn Sie sehen wollen, auf welch geschickte Weise, alle diese Fragen mit Ja beantwortet werden, dann schalten Sie auch nächste Woche wieder ein zu einer neuen Folge von „Kommissar Mörharts letzter Fall“

 Verbeugung der Schauspieler

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