Kommissar Mörharts letzter Fall  VII

von Dan Richter


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Bohnefeld – Bohni
Mörhart – Volker
Strübing
Sprecher, Security-Monster – Dan
Richter
Flughafenbeamter –
Stephan Zeisig
Steißmeier –
Robert Naumann
Richter, Security-Führer – Jochen
Schmidt
Presse, Publikum: Publikum
Requisiten: Halsband, Hammer, Aktentasche, Monitor, 2 Handys

 (aufgeführt am 26.5.05)

7. Mörhart fliegt / fliegt nicht

  

SPRECHER: In der St. Maximilian-Kirche wird der einzige treue Kirchgänger, Herr Krausnick, bestialisch gekreuzigt. Der senile Glöckner Steißmeier gesteht und wird verhaftet und bringt seinen Anwalt um. Kommissar Mörhart wittert ein Komplott zwischen Pfarrer, Messdiener, Oberhauptkriminalinspektor, der Verkehrsabteilung, der katholischen Kirche und der gesamten Restwelt sowieso. Mörharts treuer Assistent Bohnefeld verliert durch eine Verkettung ungünstiger Ungünstigkeiten ungünstigerweise beide Hände und bricht sich ein Bein. Wer gehofft hatte, dass all das Kommissar Mörhart vom Auf-eigene-Faust-Ermitteln abhält, den müssen wir leider enttäuschen, denn heute kriegt ihr eine neue Folge aufs Brot geschmiert.

 

Im Gerichtssaal. Richter steht am Pult. Mörhart und Steißmeier sitzen.

 

RICHTER: (mit Hammer in der Hand) ... verurteile ich Johann Steißmeier zu zwölf Jahren ohne Bewährung. Er muss sich in dieser Zeit einer psychologischen Betreuung unterziehen.

MÖRHART (springt auf): Einspruch, Euer Ehren!

RICHTER: Kommissar Mörhart, erstens sind wir hier nicht vor einem englischen oder amerikanischen Gericht, Sie brauchen mich also nicht „Euer Ehren zu nennen“. Zweitens können Einsprüche nur von der Staatsanwaltschaft oder dem Anwalt vorgetragen werden, nicht von Zeugen. Drittens sind Einsprüche nur während der Verhandlung möglich, nicht aber nach dem Urteilsspruch.

MÖRHART: Ja, aber...

RICHTER: Kommissar Mörhart, wenn Sie mich noch ein einziges Mal unterbrechen, dann lasse ich Sie aus Gerichtssaal entfernen.

MÖRHART: Jawohl.

RICHTER: Setzen Sie sich!

MÖRHART: Ja. (setzt sich)

RICHTER: Also, wo war ich stehengeblieben? Ach so, der Steißmeier muss seine abartige Seele einer psychologischen Betreuung unterziehen. Ansonsten wird Steißmeier zwölf Jahre eingebunkert. Zwölf Jahre – ist das OK? ... Bietet jemand mehr? ... Also dann (klopft dazu mit dem Hammer): Zwölf Jahre zum Ersten, zum Zweiten, und zum Dritten! Verurteilt!

PUBLIKUM: Applaus.

RICHTER: Herr Steißmeier, Sie haben die Möglichkeit, noch ein letztes Wort zu sagen.

JOHANN: Ja, icke, äääh...

RICHTER: Dazu müssten sie aber aufstehen.

JOHANN: Gut. (steht auf.) Also, ich wollte nur sagen, dass es stimmt, was der Richter gesagt hat. Ich habe den Krausnick aus niederen Beweggründen gekreuzigt. Ob ich es wieder tun würde, das weiß ich nicht. Aber meinen Anwalt, den würde ich definitiv wieder erwürgen. Und wenn ich sage „definitiv“, dann meine ich auch definitiv. Wenn Sie mich jetzt mit ihrem psychologischen Hokuspokus kirre machen wollen, dann haben Sie ein gutes Recht darauf. Aber ich sage Ihnen, dass ich nicht in der Haut des Psychologen drinstecken möchte, der mich behandelt. Der steckt nämlich in Lebensgefahr. Und was Sie anbetrifft, Herr Richter, Sie werde ich mir in zwölf Jahren noch mal persönlich vorknöpfen.

RICHTER: Super. Da freue ich mich ja jetzt schon drauf. Wache! Führt den Irren ab. Zur Urteilsbegründung. So. Wo hab ich die denn? ... (blättert in seinen Unterlagen)

BOHNEFELD: Kommissar Mörhart! Kommissar Mörhart!

MÖRHART: Bohnefeld!

BOHNEFELD: Kommissar Mörhart!

MÖRHART: Ja, Bohnefeld?

BOHNEFELD: Die Presse wartet draußen.

MÖRHART: Hervorragend! Ich geb die Pressekonferenz, während der Oberhauptchefinspektor noch die Urteilsbegründung über sich ergehen lassen muss.

alle ab.
2. Szene: Pressekonferenz.

BOHNEFELD: Schnello! Schnello!

MÖRHART: Ja, doch! Ah, da sind sie ja auch schon. (geht ans Mikro und fummelt umständlich herum. Text kann improvisiert werden). Guten Tag! Hört man mich? Ist das Mikro an? Hallo? Hallo? Ob das Mikro an ist! Hallo?

BOHNEFELD: Ja, Chef. Das Mikro ist an.

MÖRHART: Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Presse, was wir hier heute erlebt haben, ist sowohl eine Ehre als auch eine Schande für das deutsche Justizwesen.

BOHNEFELD: Genial!

MÖRHART: Warum Ehre? Weil es der Justiz gelungen ist, einen Mörder zu verurteilen. Und zwar nicht irgendeinen Mörder, sondern den Mörder im Kreuzigungsfall. Ein Hoch auf die Justiz! Warum aber Schande? Ganz einfach: Weil die Justiz heute den Falschen verurteilt hat. Gut – man kann jetzt sagen: „Besser sie haben einen falschen Mörder eingebuchtet als gar keinen. Besser dieser Irre verrottet da im Kerker bei Wasser und Brot als gar keiner.“ Das kann man sagen. Kann man. Muss man aber nicht. Man muss überhaupt nichts. Aber ich werde weiter an dem Fall dran bleiben, ob das einigen gewissen Herren gefällt oder nicht. Und ich werde Ihnen nicht nur den Mörder präsentieren, sondern die Hintermänner, Handlanger, Tunichtgute und Neunmalklugen. Gibt es irgendwelche Fragen?

 

Publikum stellt Fragen. Mörhart antwortet improvisierend.
 

BOHNEFELD: So, meine Damen und Herren, die Pressekonferenz ist hiermit beendet, Sie können nach Hause gehen. Auf Wiedersehen.

MÖRHART: Bohnefeld, machen Sie den Wagen klar.

BOHNEFELD: Meine Hände sind doch ab.

MÖRHART: Ach so.

BOHNEFELD: Wo wollen Sie eigentlich hin?

MÖRHART: Bohnefeld, manchmal frag ich mich, ob sie so dumm sind oder nur so tun als ob.

BOHNEFELD: Entschuldigung.

MÖRHART: Ist doch klar: Zum Flughafen.

BOHNEFELD: Hä?

MÖRHART: Na, das müsste doch selbst Ihnen aufgefallen, dass alle Spuren nach Rom zeigen.

BOHNEFELD: Wege! Führen!

MÖRHART: Wege führen?

BOHNEFELD: Na nicht „alle Spuren nach Rom zeigen“, sondern „alle Wege nach Rom führen“.

MÖRHART: Haha.

BOHNEFELD: Und warum Rom? Bloß, weil sich der Mord in einer katholischen Kirche abgespielt hat?

MÖRHART: Wieso „bloß“? Bohnefeld, Sind Sie überhaupt noch auf meiner Seite?

BOHNEFELD: Ja, Chef, Entschuldigung. Und wie erklären Sie es dem Chef, dass wir nicht ins Büro kommen?

MÖRHART: Ich hab uns Urlaub genommen?

BOHNEFELD: Uns?

MÖRHART: Ja.

 

Mörhart und Bohnefeld ab.

Im Flughafen. Flughafenbeamter vor Gepäckkontrolle. Laufband.

Auftritt Mörhart und Bohnefeld.

 

FLUGHAFENBEAMTER: Legen Sie bitte Ihr Handgepäck hier aufs Förderband.

MÖRHART: Wieso?

FLUGHAFENBEAMTER: Das ist so Vorschrift.

MÖRHART: Ich bin aber von der Kriminalpolizei.

FLUGHAFENBEAMTER: Das spielt keine Rolle, das muss jeder machen.

MÖRHART: Ich will aber nicht.

BOHNEFELD: Kommissar Mörhart, machen Sie lieber, was er sagt.

MÖRHART (sehr energisch): Ich! Will! Aber! Nicht!

FLUGHAFENBEAMTER: Gib die Tasche her!

MÖRHART: Nein!

FLUGHAFENBEAMTER: Gib her, du Schwein!

 

Ein längerer Kampf um die Tasche. Beamter wirft dabei am Ende Mörhart zu Boden.

 

FLUGHAFENBEAMTER: So. Jetzt aufs Förderband. ... (Betrachtet den Monitor) Ah ja. Ah ja. Alles klar. Einen Moment bitte! (tippt Nummer ins Handy und telefoniert) Hallo? Schickt mal einen von der Security vorbei!

 Mörhart steht wieder auf.

 BOHNEFELD: Was haben Sie denn da drin? Ihre Dienstwaffe?

MÖRHART: Nein. Keine Ahnung, was die da für ein Theater machen.

BOHNEFELD: Theater! Haha, im wahrsten Sinne des Wortes.

MÖRHART: Hahahaha.

 

Security-Monster wird vom Security-Führer am Halsband hereingeführt.

 

FLUGHAFENBEAMTER: Ah, der Herr von der Security. Sehr gut. Schauen Sie sich das mal an.

SECURITY-FÜHRER (schaut auf den Monitor): Wow! Von wem?

FLUGHAFENBEAMTER: Von dem da!

SECURITY-FÜHRER: Hahaha.

FLUGHAFENBEAMTER: Soll das heißen: Alles OK?

SECURITY-FÜHRER: Ja. Hahaha!

Security ab.

 

FLUGHAFENBEAMTER: Na gut, Bürschchen. Glück gehabt. Legen Sie jetzt bitte alles ab, was metallisch ist und gehen Sie bitte hier durch.

 

Mörharts Telefon klingelt.

 MÖRHART: Ja? Was? Was? Alles klar. Wir kommen.

BOHNEFELD: Was ist los?

MÖRHART: Steißmeier hat seinen Psychologen umgebracht.

BOHNEFELD: Oh Gott!

MÖRHART: Und wissen Sie was? Der Chef hat mir den Fall zurückgegeben.

BOHNEFELD: Kommissar Mörhart, Sie sind genial.

MÖRHART: Jetzt hören Sie doch mal mit dieser „Sie-sind-genial“-Scheiße auf.

BOHNEFELD: Wieso?

MÖRHART: Wissen Sie, wie die Begründung des Chefs lautete, als er mir den Fall Steißmeier zurückgab?

BOHNEFELD: Nee.

MÖRHART: Nur ein Irrer kann einen Irren verstehen.

BOHNEFELD: Kommissar Mörhart, Sie sind genial.

SPRECHER: Ist Mörhart wirklich genial? Hat diese Serie jetzt nicht mal langsam ein Ende? Warum kriegt Stephan immer nur so kurze Rollen, in denen sein Talent gar nicht richtig zum Tragen kommt? Warum hat Bohnefeld in dieser Folge kein Körperteil verloren? Wollte sich der Autor damit indirekt von den vergangenen Folgen distanzieren? Hat jemand diese Folge als Anschlussversuch an die Brechtsche Groteske aufgefasst? Wenn ja, dann zu Recht. Und hat jemand die Star-Wars-Anspielung verstanden? Nein? Gut. Es gab ja auch keine. Ist Mörhart Darth Vader? Nein. Was soll das? Warum werden jetzt die Antworten gleich mitgeliefert? Was soll dieses ewige Gelaber immer am Ende? Die Schauspieler stehen in der Zeit doch immer nur noch blöde auf der Bühne rum und starren auf ihre Zettel. Das ist doch Scheiße! Ja. Scheiße, aber Tradition. Und wer wollte sich anmaßen, Traditionen zu zerstören? Also kommt nächste Woche wieder, denn jede Folge kann die letzte sein. Von „Kommissar Mörharts letzter Fall“.

Verbeugung der Schauspieler

 

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